Gemeinsame Presseerklärung zu den Sondierungsgesprächen in Schleswig-Holstein: Gleichbehandlung, Integrationsförderung, Gesundheit für alle und ein Einwanderungsministerium

Zivilgesellschaftliche Fachorganisationen adressieren an die künftig in Schleswig-Holstein Koalierenden dringende einwanderungspolitische Handlungsbedarfe

Nach Verlauten finden am Dienstag zwischen CDU und FDP sowie zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen Sondierungsgespräche über die mögliche Fortsetzung der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein statt. Infrastruktur, Umwelt, Wirtschaft, Klima – an zentralen Themen mangelt es den Verhandelnden nicht.

Aber Schleswig-Holstein ist auch ein Einwanderungsland mit vielfältigen politischen Handlungsbedarfen. Der Anteil der ausländischen Staatsangehörigen im Bundesland betrug im Jahr 2020 ca. 8,5 Prozent. 17,2 Prozent der Bevölkerung haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Jährlich kommen etwa 4.000 Geflüchtete ins Land – bis dato sind darüber hinaus allein 15.000 v.a. Frauen und Minderjährige aus der Ukraine hierher geflüchtet. Über 10.000 Menschen sind aufenthaltsrechtlich geduldet. Doch ohne eine forcierte Einwanderung und systematische Arbeitsmarktintegration der nichtdeutschen Inländer:innen werden bis 2035 ca. 180.000 Beschäftigte auf dem schleswig-holsteinischen Arbeitsmarkt fehlen.

Die ihres Erachtens bestehenden vielfältigen Handlungsbedarfe im Feld der flüchtlings- und Einwanderungspolitik haben 25 schleswig-holsteinische Fachorganisationen schon im Vorfeld der Landtagswahlen den demokratischen Parteien ausführlich dargelegt und veröffentlicht (https://www.frsh.de/fileadmin/schlepper/schl_104/S104_4-5.pdf).

„Die neue Landesregierung sollte sich nach dem Vorbild der Aufnahme ukrainischer Schutzsuchender dafür stark machen, dass künftig Aufenthalt, Zugang zu Sprachförderung, Bildung und Arbeit und volle Sozialleistungen für alle Geflüchteten gleich gelten und keine Diskriminierung nach Herkunft geschieht“, fordert Michael Wulf, Vorsitzender beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

Die Fachorganisationen zeigen sich sowohl mit Blick auf eine bedarfsgerechte Flüchtlingsaufnahme wie auch auf wirtschaftliche, demographische und arbeitsmarktliche Bedarfe überzeugt, dass eine künftige Koalition gut beraten sei, geduldete Personen systematisch und nachhaltig in Bildung und Beschäftigung zu integrieren, anstatt weiterhin regelmäßig erhebliche Summen für die Ausgrenzung und Aufenthaltsbeendigung von ausreisepflichtigen Geflüchteten auszugeben.

„Schleswig-Holstein muss Menschen Schutz gewähren, die vor Krisen und Kriegen wie in Afghanistan und im Jemen fliehen wollen. Auch dürfen Menschen in den Lagern an den europäischen Außengrenzen nicht vergessen werden. Wir fordern, dass für die anstehende Legislaturperiode eigene Landesaufnahmeprogramme für diese vulnerablen Personen im Koalitionsvertrag festgehalten werden!“, hält Paulina Schneider von den Seebrücken Schleswig-Holstein für unabdingbar.

Gesundheit ist ein Menschenrecht! Die medizinische, psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung sollte für alle Menschen in Schleswig-Holstein, unabhängig vom Aufenthaltsstatus sichergestellt sein. Die künftige Landesregierung muss gewährleisten, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung diskriminierungs- und barrierefrei ist.

Weil der Weg zu einem von Diversität gekennzeichneten Einwanderungsland an vielen Stellen mit gesellschaftlichen Reibungsverlusten einhergeht, muss die künftige Landesregierung auch den Diskriminierungsschutz normieren, sowie den Antirassismus, die Antidiskriminierung und die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts intensivieren. „Ein Landesantidiskriminierungsgesetz muss her und die Landesregierung sollte gegenüber dem Bund mit einer Gesetzesinitiative zur Streichung des mit diskriminierenden Auswirkungen verbundenen Asylbewerberleistungsgesetzes vorstellig werden“, befindet Hanan Kadri vom Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein.

Anfang Mai 2022 hatten 25 Organisationen aus Kirche, Flüchtlingshilfe, Migrant:innenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Migrationsfachdiensten, Antidiskriminierungs- und Beratungsarbeit, Integrationsförderung und Gesundheitsdiensten öffentlich erklärt, dass eine moderne Einwanderungspolitik auch moderner Strategien und Instrumente bedarf: „Um den vielfältigen Herausforderungen in der künftigen Legislaturperiode angemessen gerecht werden zu können, sollten die Flüchtlings-, Einwanderungs- und Integrationspolitik aus der ordnungspolitischen Verortung im Innenressort der Landesregierung entkoppelt und in einem eigenen vollständig für alle Belange der Einwandernden und der Institutionen des Einwanderungslandes Schleswig-Holstein zuständigen Einwanderungsministerium verankert werden.“ (Dokumentation, S. 5)

Unterzeichnende:

Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e.V. • Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen Schleswig-Holstein • Die Brücke Lübeck und Ostholstein • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.• lifeline – Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schleswig-Holstein • SEEBRÜCKEN Schleswig-Holstein • ZBBS e.V.

Pressekontakt:

Martin Link • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. • public@frsh.de • T. 0431-5568 5640

Die gemeinsame Pressemitteilung als pdf finden Sie hier.